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Olympia Dressurprüfung von 1936 – Anna Fiedler mit Grifo

Aufnahme vom 07.07.2024

Anna Fiedler reitet mit dem portugiesischen Sportpferd Grifo (13) die Aufgaben zur Großen Dressurprüfung der Olympiade von 1936, Berlin.
Sie selbst schreibt dazu:

Im nachfolgenden Text möchte ich versuchen, den Ritt Lektion für Lektion zu erklären. Ich werde versuchen, sowohl die gelungenen, als auch die noch verbesserungsfähigen Aspekte herauszuarbeiten. Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die jetzt vor dem PC sitzen und sich diesen Ritt ansehen ein paar Dinge im Hinterkopf behalten:

1) Ich selbst bin in meinem Leben nie Turniere geritten und dementsprechend unerfahren in Sachen Prüfungsreiten. Es war quasi mein erster Versuch, mir eine solche Aufgabe zu erarbeiten. Dafür hatte ich nur etwas mehr als 3 Wochen Zeit. Die Ansprüche, die ich an mich selbst gestellt habe, waren groß und dementsprechend groß war auch die Nervosität.

2) Grifo ist ein 13-jähriges Portugiesisches Sportpferd, der seit nun gut 5 Jahren in meinem Besitz ist. Ich habe ihn steigend und bockend übernommen. Er hat eine halb durchtrennte Zunge, knirschte im Dauerkonzert und ließ die Zunge während der gesamten Reiteinheit rechts aus dem Maul hängen. Außerdem hat er diverse Befunde am Bewegungsapparat, bspw. Hufknorpelverknöcherung vorne beidseits, eine chronische Schleimbeutelentzündung am 2. Halswirbel und röntgenologische Auffälligkeiten in den Sprunggelenken. Grifo wurde durch die Arbeit im Sinne von Manuel Jorge de Oliveira in den letzten 5 Jahren im Rahmen des Möglichen rehabilitiert und lebt heute ein schmerzfreies und glückliches Leben mit seinem Reiter. Dennoch sind Altlasten wie ein sehr aktives Maul und ein sehr aktiver Schweif geblieben.

3) Die von Knut Krüger gestellte Challenge wurde von keinem anderen bis jetzt umgesetzt. Niemand hat sich scheinbar an die Aufgabe herangetraut.

Und nun zum Ritt:
Einreiten und Stopp: Geradegerichteter Linksgalopp, könnte noch ein wenig mehr gesprungen sein, Genick ist aber höchster Punkt, Zügelführung leicht, Pferd ist aufmerksam. Der Stopp kommt prompt und sitzt auf der Hinterhand. Der Schritt rückwärts ist selbstverständlich inkorrekt.

Mitteltrab im Leichttraben, Einhändig kurze Seite, Leichttraben Trabverstärkung:
Beide Rahmenerweiterungen sind bei offener Ganasche und lockerem Zügel. In der Trabtour hier am Anfang kommt er mir leicht hinter den Schenkel, weswegen er nicht immer mit dem Genick am höchsten Punkt ist. Nicht korrekt und mangelnder Aktivität in der Hinterhand geschuldet. Mein Leichttraben ist ungeübt und etwas wackelig, da ich das sonst nicht praktiziere. Daher auch die Lacher auf den Tribünen. Ein ungewohntes Bild in den Oliveira Stables.

Übergang Mittelgalopp, Diagonale mit Fliegendem Wechsel einmal beid- und einmal einhändig:
Galopp ist gerade und aufwärts gesprungen, die Wechsel sind korrekt nach vorne gesprungen. Auch hier liegt mein Fokus wieder auf der sehr leichten Zügelverbindung. Gerade bei der einhändigen Diagonale sieht man, wie wenig Gewicht ich auf der Hand habe.

Ecke bei B, Wenden auf Mittellinie, Stopp und 8 Sekunden Stillstand
Die erste Ecke ist etwas zu früh angesetzt, die zweite zur Mittellinie passt. Wir reiten die Ecken bewusst eckig, daher der Name. Vor dem Stopp wechselt er mir in den Linksgalopp, das war inkorrekt. Zu viel rechter Schenkel von mir noch aus der Ecke. Der Stopp aber ist wieder prompt und am Sitz, der darauffolgende Stillstand ist kein Problem.

Antraben, nach der Ecke halbe HINTERHANDWENDUNG links, Trab und selbiges rechts
Übergang zur ersten Schrittwendung (Übrigens gefordert als Hinterhandwendung und nicht als Pirouette!!) ist zu abrupt, da ist er mir hinter den Schenkel gekommen, dafür war die Wendung an sich gut. Der Übergang zur Wendung rechts war flüssiger, dafür tritt er mir mit dem rechten Hinterbein einmal nach rechts raus. Sein rechtes Hinterbein war immer schon sein schwächeres, das zeigt sich auch hier.

Kurze Seite im versammelten Trab, Zick-Zack-Traversale
Der versammelte Trab an der kurzen Seite war ein wenig zu versammelt. Die Traversalen wieder fließend, Vorhand führt in beide Richtungen an, Stellung und Biegung sind gegeben.

Zick-Zack-Travers über die ML
Übergänge könnten fließender sein, dennoch auch hier wieder die leichten Hilfen erkennbar. Der Zügel hängt in weiten Teilen durch.

Wendung zur Mittellinie, Stopp, 3 Schritte Rückwärts, 6 Vorwärts, 6 Rückwärts, Trab (Übergänge ohne dazwischen zu Stoppen)
Übergänge weitestgehend fließend, aber sicher noch zu verfeinern. Stopp und Rückwärts findet am Sitz statt und nicht durch Zügelzug.

Passage ab F, Trabverstärkung über die Diagonale, Passage, Piaffe 10-20 Tritte, Passage, Trabverstärkung über die Diagonale, Zurückführen versammelter Trab
Passagen sind gleichmäßig und kadenziert, nicht übertrieben exaltiert aber dennoch ausdrucksstark. Auch hier trägt sich Grifo wieder selbst und wird nicht von mir per Hand getragen. Ich muss auch nicht jeden Tritt mit dem Sporen herausstochern. Die Verstärkungen sind beide schön nach vorne, die Ganasche könnte noch einen Ticken mehr öffnen. Der Zügel ist aber auch hier locker und hindert Grifo nicht an der Rahmenerweiterung. Das Zurückführen ist leicht und auch wieder am Sitz und nicht durch Zügelzug. Übergang Passage-Piaffe ist flüssig geglückt, leider verliere ich ihn in der Piaffe selbst 2 mal, als er schon wieder in die Passage vorziehen möchte. Da hätte ich ihn mir etwas mehr am Sitz erhalten müssen. Die Piaffe müsste dementsprechend auch in der Hinterhand aktiver sein. Ich würde mir hier mehr Beugung im Knie wünschen. Das Standbein vorne ist weitestgehend gerade. Genick ist am höchsten Punkt.

Ab Mittellinie wieder Passage, Piaffe 10-20 Tritte
Passage auf Mittellinie könnte noch gerader bleiben, in der Piaffe wird er mir anfangs hinten zu breit und verliert zu viel Aktivität. Am Ende der Mittellinie war Grifo der festen Überzeugung wir müssten Links. Daher meine zu deutliche Hilfengebung. Ich hätte bereits früher mit dem inneren Schenkel weisen müssen.

Übergang Schritt Langer Zügel, Schritt wieder aufnehmen, Schritt Zick-Zack-Traversale, versammelter Schritt
Übergang flüssig, Grifo findet sofort in einen guten Schritttakt. Wiederaufnehmen auch wieder flüssig, versammelter Schritt schön gleichmäßig im Viertakt bei leichter Zügelverbindung. Genick höchster Punkt. Vorhand führt in den Traversalen. Stellung und Biegung vorhanden. Versammelter Schritt danach wieder gerade, schreitend im Viertakt (!) aktiv in der Hinterhand.
Angaloppieren, ML halbe Pirouetten mit Wechsel dazwischen, Stopp, 6 Tritte Rückwärts
Im Angaloppieren habe ich ihn blockiert und nicht genug rausgelassen, vorm Einsprung in die Pirouetten kommt er mir zu stark mit der Hinterhand voraus. Die Pirouetten selbst sind dann wieder aktiv gesprungen und schön am Platz. Die nach links flüssiger als die nach rechts. Stopp wieder am Sitz ohne Zügelzug.

Angaloppieren Links, E Übergang Trab, A Übergang Galopp
Vorm Angaloppieren schwenkt die Hinterhand zu weit nach links, den Übergang habe ich gekonnt in den Sand gesetzt. Nichts zum Schönreden da. Der war einfach schlecht. Ich habe vergessen zu Atmen. Grifo hasst das.

Zick Zack-Traversale mit Stopp bei X, Ecke im Außengalopp, Wechsel bei X, lange Seite Verstärkung
Schulter nach Links müsste etwas mehr führen, Stellung, könnte etwas mehr sein. Stopp ist präzise und prompt auf X, Angaloppieren leicht und nach oben. Die Verstärkung zeigt Rahmenerweiterung ohne zu viel Tempozunahme. Sie könnte etwas mehr sein, aber er bleibt schön aktiv und im bergauf, der Zügelkontakt ist leicht und rennt nicht einfach in den Boden hinein. Das Zurückführen ist ebenso leicht und fließend.

Schlangenlinien (3 Stück im Handgalopp, 3 im Außengalopp), Lange Seite Galoppverstärkung
Zur Linienführung gibt es eine Zeichnung in der Originalaufgabe. Das Überschneiden in die alte Linie ist gewollt. Der Galopp ist am Sitz, die Wechsel präzise am Wechselpunkt. Bei den Wendungen im Außengalopp schwenkt die Hinterhand zu weit nach außen. Die zweite Verstärkung ist besser als die erste, da noch mehr nach vorne.

ML Zick-Zack (3 Sprung rechts, 6 Sprung links, 6 Sprung rechts, 6 Sprung links, 3 Sprung rechts, Wechsel links), Galoppverstärkung Lange Seite
Sprungzahlen korrekt bis auf den letzten Wechsel nach links, der erst auf den 4. Sprung kam. Habe ich zu spät ausgelöst. Ansonsten teils die Hinterhand zu sehr in Führung, was ich aber jedes Mal korrigiert habe. Verstärkung ähnlich der 2.

ML Pirouetten
Im Einsprung nach links zu weit nach links abgedriftet, Pirouette dann aber schön am Platz. Nach rechts lässt er im zweiten Sprung sein geliebtes rechtes Hinterbein stehen. Sonst ok. Pirouetten sind absolut nicht unsere Stärke. Ich war mit den beiden zugegebenermaßen sehr glücklich.

Lange Seite 4er Wechsel, lange Seite 3er Wechsel
Beide Serien habe ich leider nicht getroffen. Reiner Reiterfehler. Grifo war super bei mir, aber ich habe die Konzentration verloren und ihn falsch durchgeleitet. Daher auch der seitliche Wackler in den 3er Wechseln. Als ich dann endlich wieder zählen konnte, waren die Wechsel selbst aber gut.

Diagonale 2er Wechsel, Diagonale 1er Wechsel
Konzentration war wieder da. Beide Serien waren gerade nach vorne und symmetrisch. Mein Sitz war in der 2er Serie noch ruhiger und stabiler, als in der 1er Serie. Dennoch ist in beiden Serien die Hilfengebung hauptsächlich über meine Schulterposition und im Becken erfolgt und keineswegs am Zügel.

Mittelgalopp, E Schritt langer Zügel
Jap, ich habe bei E alles weggeworfen und ich bereue es immer noch nicht! Man schlage mich dafür :D Grifo hat eine Spitzenleistung erbracht und die größte Belohnung ist nun mal der sofort hingegebene Zügel. Es stand auch in der Prüfung nichts von Zügel aus der Hand kauen lassen oder sowas. Wieso auch? Wenn ein Pferd nicht auf der Hand liegt, fällt es auch nicht um, wenn die Han weg ist. Mein Ziel ist ein sich selbst tragendes Pferd. Wenn es meine Hand als Stütze benutzt, habe ich etwas falsch gemacht.

Schlusswort:
Ob euch der Ritt jetzt gefallen hat oder nicht: Schaut euch das Pferd an. Die Höchstleistung ist beendet und er steht da tiefenentspannt. Ohne auch nur ein nasses Haar, ohne großartig erhöhte Atemfrequenz (Im Gegensatz zu mir…).
Der Ritt hatte sicher seine Ecken und Kanten, aber er zeigt eines deutlich: Einen Tänzer an leichter Hand. Kein Kraftsport, Kein Tauziehen, Kein Hacken oder Stechen. Und das ist es, was wir wollen. Ein Miteinander, kein Gegeneinander.
„Perfection doesn’t exist and evolution never stops!“ und in diesem Sinne: Ich bin für sämtliche Gespräche offen, aber ich erhoffe mir ein Mindestmaß an Respekt vor dem Gezeigten.

Vielen Dank für euer Interesse!
Anna Fiedler

 

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